Karwendel Reib’n
Trigger den Fäustling
“Großzügige und lange Rundtour über mehrere Gipfel und Kare, die normalerweise als Zweitagestour mit Übernachtung auf dem Karwendelhau (Winterraum) gemacht wird.” …
…und dann: “Für Konditionsbüffel gilt es aber, die Reib’n als Testpiece an einem Tag durchzuziehen.” Jeder gemütlich gediegene Fingerhandschuh wird zum kraftprotzenden Wildleder Fäustling angestachelt. Im Charakteristik-Text des Karwendel Skitourenführers von Panico zur Karwendel Reib’n steht eben jener gerade zitierte zweite Satz, eine gut gemeinte und großzügige Weggabe der Autoren Doris und Thomas Neumayr für alle, die lang, weit und schnell unterwegs sein wollen - in Zahlen:
An die 40 km, 2650 Höhen- und Tiefenmeter, 11 h (unsere Zeit inkl. winterlicher MTB-Anfahrt bis zur Wildfütterung)
Der frühe Vogel holt sich fiese Frostbeulen
Start um 6:00 Uhr am Parkplatz, bei -10 °C, beginnen wir radelnder-weise in Zustiegsschuhen - etwas komfort muss sein - auf zuerst gefährlich eisig eingefahrener Piste und ab dem ersten steilen Anstieg auf festgefahrener Skidospur im griffigen Schnee, die sich zum Glück erstaunlich gut radeln lies, bis zur Wildfütterung. Der schneidig kalte Wind in Kombination mit dem Fahrtwind drücken die gefühlte Temperatur deutlich und schnell haben wir wohlgeformte Eisklötze anstatt Füßen in den wenig isolierten Zustiegsschuhen. Wir halten nicht an, wir sprechen nicht, wollen nicht verschreien welch ein Glück wir haben, solange es nur so gut mit dem MTB weiter fahrbar bleibt. An der Wildfütterung (ca. 8,5 km) ist dann Schluss: ab hier ist es, was zuvor nur ein ab und an Einbrechen mit den Rädern war, ein mühsamer Dauerzustand - Raddepot. Im nachfolgend ein kurzer Abriss zu den Bedingungen.
Wildfütterung mit zeitlicher Begehungsbeschränkung (von 8:00 - 16:00 Uhr)
Von 8:00 bis 16:00 Uhr darf der Bereich der Wildfütterung passiert werden, bitte daran halten. Wir sind nur Gäste in dieser wunderschönen und unwirtlichen Winterwelt. Damit ist klar: bis 16:00 Uhr müssen wir zurück bei den Rädern sein. Der Sonnenaufgang verzaubert die Südseiten der von uns nördlich gelegenen Karwendelkette in magisch weich leuchtende Farben und wärmt zumindest innerlich das Gemüt bei äußerlich weiter klirrender Kälte im schattigen Talboden. Bei Kehre zwei verlassen wir den Fahrweg zum Karwendelhaus und spuren oberhalb des Bachgrabens auf der orographisch rechten Seite (im Aufstiegssinn auf der linken Seite) direkt ins Schlauchkar. Das Gelände ist etwas tückisch kupiert und die Spuranlage durch bewaldetes Gebiet ist nicht ganz einfach gut zu treffen.
Schlauchkar und Birkkarspitze
Im Schlauchkar, ca. 9:30 Uhr, treffen wir bald auf die Spur der beiden auf dem Karwendel-Haus übernachtenden. Sie sind am Tag zuvor zugestiegen und haben noch die Östliche Karwendelspitze mitgenommen. Die Bedingungen sind gut, auch wenn der Wind stellenweise die Schneeoberfläche von Winddeckel bis hart bearbeitet hat - Harscheisen waren für uns nicht nötig. Ab Schlauchkarsattel sind wir endlich die beißende Kälte los und spuren in der Sonne zum Gipfel der Birkkarspitze (11:30 Uhr).
Überschreitung Ödkarspitzen und Abfahrt Marxenkar
Auf die östliche Ödkarspitze gelangen wir mit Skiern bzw. zu Fuß gestapft. Die Skispur verläuft im steilen Südhang - Achtung Absturzgefahr. Die Fußspurt ist etwas mühsamer, aber kann je nach Bedingungen sicherer nah am Grat verlaufend begangen werden. Nach der östlichen Ödkarspitze steigen wir zu Fuß mit geschulterten Ski über den steilen Abschnitt und einigen ausgeaperten bzw. vom Wind freigelegten Felsabschnitte ab. Der Aufstieg zur mittleren Ödkarspitze ist unproblematisch mit Ski und von dort beginnen wir, nach 7 h auf der Uhr, endlich die erste Abfahrt. Unterhalb der westlichen Ödkarspitze vorbei, hoch haltend wechseln wir übers Joch ins Marxenkar. Auf den ersten Meter sind vom Wind freigelegte Felsen umsichtig zu überwinden oder umfahren. Auch hier, ähnlich wie im Schlachkar, war etwas der Wind drin und hat hier und da gedeckelt. Skifahrerischen Hochgenuss gibts nur bei sehr vereinzelten Turns im leeseitig windunberührten und fein gesetzem Pulver.
Aufstieg übers Marxenkar auf die große Seekarspitze
Im Aufstiegsteil des Marxenkars, hinter dem langgezogen Rücken Richtung große Seekarspitze, ist der Schnee weniger windgeprägt und liegt fein gesetzt - nur fahren wir hier leider nicht. Wenn schon, denn schon: wir lassen es uns nicht nehmen auch die letzten Meter auf die große Seekarspitze zu machen, die wir um 15:00 Uhr erreichen - hollareiuljohhh! Es lässt sich bis knapp unter dem Gipfel gut mit Skiern gehen, lediglich die letzten Meter auf einen schulterartigen Absatz wenige Meter östlich des Gipfels und die letzten Klettermeter zum Gipfel bewältigen wir zu Fuß.
Abfahrt Neunerkar und zurück zum Parkplatz
Wir fahren wenige Meter unterm Gipfel ostseitig und am Kamm haltend ab, ehe wir in astreinen Pulver, um einen schön gewebten Arlbergteppich bemüht, zur Breitgriesßkarscharte wedeln. Das Neunerkar wartet zum Großteil der Abfahrt mit Schneequalität höchster Güte und lässt das Grinsen weit über beide “Waschel” reichen. Weiter unten - nicht verpassen auf etwa 1800 m Skiers-left haltend den Übergang in den unteren Teil zu finden und den fiesen Bachtobel mit Steilabbrüchen zu meiden - wird der Schnee mehlig und wir pudern durch spaßig kupiertes Gelände zurück in den Talboden. Hier bitte nicht “rumplärren” und verträglich verhalten - ebenso Wildschongebiet: Gämsedreck ist überall deutlich zu erkennen!
Vor 16:00 Uhr sind wir bei unseren Rädern und pedalieren der Sonne entgegen zum Auto
Ausblick und sonst so
Die Bedingungen bleiben, wenn die Wetterprognose für die nächsten Woche wie vorhergesagt (Hochdruck: stabil und kalt) so zutrifft, weiterhin gut. In den großen Karen gibt es noch ausreichend Platz eine eigene Spur zu ziehen!
Danke an die beiden vor uns für den netten Plausch zwischendurch - Zitat: “Jung müsste man sein.” - und für die wahnsinnige Spurarbeit!
Östliche Karwendelspitze wurde von den beiden gemacht
Larchetkar ist begangen und befahren
Große Seekarspitze von Südwesten (Breitgrießkar und Hinterkar) waren begangen und befahren