Gute Zeiten, spät in der letzten Saison - auf einen steilen Winter 16/17
Zwei Traumziele an einem Wochenende
Der Oberschenkelblues
1. Hoher Göll Ostwand Befahrung mit Ski – Geduld für ein lang ersehntes Ziel
Ich habe einmal von einem Bergsteiger gehört, dass das Umkehren, mit dem zwangsweise ein Scheitern verbunden ist, eine stärkere Entscheidung am Berg impliziert, als das Weitergehen.
Wer die Bergsport News verfolgt weiß, eine Meldung über jemanden, der etwas fast geschafft hätte, ist in den wenigsten Fällen eine Schlagzeile wert. Außer es nimmt kein glimpfliches Ende. Das Momentum Umkehren ist zu individuell und zu sehr von äußeren und situativen Umständen abhängig, als dass es hier genauer filetiert werden könnte. In seiner Häufigkeit ist es jedoch ein nahezu alltäglich-natürliches Phänomen, das sich mit Zunahme an technischen, physischen und psychischen Herausforderungen des gewählten Ziels sowie den dafür notwendigen äußeren Bedingungen zu potenzieren scheint.
Auch ich schreibe keinen Bericht darüber, wie wir die Göll Ostwand beinahe mit Ski befahren hätten aus einem ganz bestimmen Grund. Der Entscheidungsprozess das Ziel anzugehen, samt seiner moral-ethischen Konsequenzen, bei jedem der fünf erfolglosen Anläufe von 2012 bis 2016 in einem Bericht ausformuliert, das will keiner lesen. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle akzentuieren, dass es manchmal etwas mehr Geduld bedarf.
Aller guten Dinge sind zwei mal drei
2 mal 2012 – umgedreht bzw. nicht eingefahren (zu viel Schnee, bedrohliche Wechte und keine Begehungsspuren)
2 mal 2015 – umgedreht (Schneemäuler, Lawinengefahr durch Neuschnee)
1 mal 2016 – umgedreht (Wetterumschwung plötzlicher Schneefall in der Nacht, Jägersteig nicht gefunden)
7.Mai 2016 – Geduld ist bitter aber ihre Frucht schmeckt süß (J. J. Rousseau)
Aufbruch 5:00 Uhr: Wir begehen mit Zustiegsschuhen den trocknen Jägersteig und tragen Ski und Skischuhe am Rucksack. So geht’s gemütlich und angenehm über den teils ausgesetzten Jägersteig, der unter keinen Umständen unterschätzt werden sollte, i. B. wenn die Hänge feucht oder noch nicht abgeapert sind. Die Wegfindung ist schwierig und eine Erkundung am Vortag bei Tageslicht ist unumgänglich! Den Fehler haben wir u. a. zwei Mal begangen. Gefühlsmäßig ist man immer zu hoch anstatt zu tief und ohne Steig, der die steile Flanke leichter begehbar macht und die Felsriegel vor dem Wilden Freithof mittels eines Durchschlupfs überwindet, wird die Unternehmung deutlich gefährlicher. Bei Schneelage ist abzuraten, denn selbst jemand, der den Verlauf des Weges kennt, würde sich schwer tun ihn zu finden. Außerdem sollte gerade im Zustieg zur Wand wegen tageszeitlicher Erwärmung nicht unnötig Zeit verloren werden. Beständig auf einer Höhe von ca. 1400 m querend, brauchen wir für den Zustieg zum Freithof eine Stunde.
Im steilen Kanal unterhalb der Wetterbockwand sind die Ski am Rücken, man umgeht je nach Bedingungen mit oder ohne Ski einen steilen Aufschwung in einer Rechtsschleife und befindet sich auf dem flachen Rücken in Wandmitte. Hier lässt es sich gut pausieren, um auch die imposante Umgebung, die die Göll Ostwand vor den Toren Salzburgs bietet aufzusaugen.
Mit Ski geht es in Spitzkehren weiter. Man hält auf den auslaufenden linken Spitz der Wettebockwand zu und umgeht so eine Felsinsel rechterhand. Wir konnten im zweiten Wandabschnitt alles bis zum Felsblock unterhalb der steilen Ausstiegsrinne mit Ski begehen. Die letzten Meter werden in einer engen Rinne mit Ski am Rücken mit Steigeisen stapfend – bei harten Bedingungen – mit zusätzlicher Pickelunterstützung überwunden. Die Wechte am Grat über einen stets zur Eile mahnend. Sie drängt einen auf den Austiegsmetern der Wand schräg nach links zum Grat ab.
Geschafft, das Panorama des Steinernen Meers tut sich vor einem auf und in wenigen Minuten erreicht man den Gipfel. Es ist 9:00 Uhr.
Die Abfahrt erfolgt entlang der Aufstiegsroute. Perfekte Schneebedingungen, sichere Skitechnik in einer Neigung von bis zu 52° und ein richtiges Maß an gesunder Selbsteinschätzung sind die nötigen Voraussetzung für eine Skibefahrung der Wand. Besonders das erste Kriterium ist ein starker Ausschlussfaktor. Bei harten oder eisigen Bedingungen lieber die No-fall-Zone im Bereich der Einfahrtsrinne abklettern und erst danach auf Ski wechseln oder gar über die andere Bergseite nach Hinterbrand (Parkplatz Alpeltalsteig an der Scharitzkehlstraße) abfahren. Alternativ kann auch etwas weiter östlich über die Göll Schulter in Wand eingefahren werden.
Wir fahren direkt in die schmale Rinne ein, in der nur umgesprungen oder abgerutscht werden kann. Nacheinander bewältigen wir die Crux der Befahrung und warten hinter dem großen Felsen nach der zweiten Engstelle vor Schneerutschen geschützt aufeinander. Der Rest der Abfahrt ist die Sahnehaube die es on top dazu Gebiet. Unser breitestes Grinsen reicht in jedem Fall bis hinter unsere Ohrwascheln. Durch den immer sulziger werdenden Schnee cruisen wir beschwingt in atemberaubender Kulisse zu unseren Zustiegsschuhen.
Wir folgen dem Jägersteig zurück zum Auto, dass wir um 11:00 Uhr erreichen, sortieren unser Material, machen Brotzeit vis-a-vis zur Göll Ostwand und brechen schließlich Richtung Mayerl Rampe Großglockner auf.
Detaillierte Infos zur Hohen Göll Ostwand werden sind auf bergsteigen.com unter dem angegebenen Link zu finden.
http://www.bergsteigen.com/eiswand/salzburg/berchtesgadener-alpen/goell-ostwand
2. Immer noch 7. Mai wenige Stunden später – Blick Richtung Mayerl Rampe, das beste was der Großglockner zu bieten hat ...
... wir sind an der Franz-Josefs-Höhe angekommen und genießen die Blicke auf Pasterze und die beeindruckende Großglockner Nordseite. Außer uns sind noch drei aus Garmisch da, sie wollen wie wir um 2.00 Uhr nachts los und planen eine Begehung der benachbarten Aschenbrenner. Nach der letzten kurzen Nacht und der bevorstehenden halben Nacht verziehen wir uns schon früh in unsere Schlafsäcke.
So ganz fix kommen wir nicht auf und wir brechen mit etwas Verspätung auf. Hinab zum Gletscher und über diesen geht es schnell voran. Wir biegen nach einer Weile links Richtung Biwakschachtel und Nordwandrouten ab. Das steiler werdende Gelände verlangt Kraft im Zustieg zur Wand, doch die Tour von gestern ist kaum in den Beinen zu spüren, sodass es besser als erwartet vorangeht. Mit dem Sonnenaufgang erreichen wir die Biwakschachtel, von der wir in wenigen Minuten zum Einstieg der Mayerl-Rampe gelangen.
Kurz gestärkt, die Skier am Rucksack befestigt und schon steigen wir mit Steigeisen und Pickel über steilen Trittschnee. Die Rampe selbst war zuerst noch gut begehbar, verlangte aber bald Standplatzsicherung. Das Eis war spröde und schlecht zu klettern. In großen Schollen ausbrechend, mussten sich die Sichernden enorm in Acht nehmen, um nicht getroffen zu werden. Mit Ski am Rücken ist das dann doch etwas anders. In drei langen und „wadelaufblähneden“ Seillängen gelangen wir zum Ausstiegsgully. Die letzte Seillänge zur Grögerschneid 3660 m war nicht nur, weil sie in die Sonne führte Wahnsinn, sondern auch klettertechnisch phänomenal.
Wir folgen dem NW-Grat, Stellen III+, zum Gipfel, den wir um 11:00 Uhr erreichen. Die Mühen des Skier-durch-die-Wand-Tragens zahlen sich nach dem Abstieg zum Glocknerleitl aus.
Ab hier geht es auf Skiern in perfektem Schnee talwärts. Das beeindruckende Hofmann Kees abfahrend, vorbei an einem smaragdblauen Eisfall, erreichen wir von tiefer Glückseligkeit erfüllt die Pasterze. Bleiben noch die Höhenmeter zum Auto und die Heimfahrt. Was auch bleibt von dem Wochenende der Superlativen, das sind die schweren Beine. Der Oberschenkel- und Wadelblues eben.
Das Körperliche vergeht, nur die Tragweite der Selbsterkenntnis im Erlebten und Erfahrenen überdauert.
http://www.bergsteigen.com/eiswand/kaernten/glockner-gruppe/mayerlrampe
Die erste Ladung weißen Goldes ist eingetroffen, die Powderlöffel werden "gewaxelt" und die Vorfreude ist riesig!